

Der SFAA-Präsident Wolfgang Vöge und Paul Bollendorff (Gründungsmitglied der SFAA) waren am 6. Dezember 2010 Gäste im Fussballtalk "Kick it!" im Schweizer Sportfernsehen (SSF) und diskutierten zusammen mit den anderen Gästen, Fredy Bickel (FCZ-Sportchef) und Alex Miescher (SFV-Generalsekretär), über das Thema "Die Spielervermittler und ihre Rolle im Profifussball".
Interview vom 20.9.2013 mit 20min
Herr Vöge, arbeiten die Schweizer Spielervermittler mit dubiosen Methoden?
Wolfgang Vöge: Sicher nicht. Es ist schade, dass wegen einem solchen Fall jetzt wieder alle Spielervermittler in einen Topf geworfen werden.
Der Fall Vogel zeigt aber, dass gewisse Spielervermittler offenbar nicht mal vor Erpressung zurückschrecken.
Falsch. Weder bei Erich Vogel noch bei der zweiten in dieser Sache involvierten Person handelt es sich um lizenzierte Spielervermittler. Unter diesen gibt es keine schwarzen Schafe. Es gibt aber sehr viele selbsternannte Berater und Trittbrettfahrer, die sich nicht an die Regeln der Fifa, des SFV und des Seco halten müssen. Auch deshalb haben wir die Vereinigung der Schweizer Spielervermittler gegründet, der aktuell 11 Fussballagenten angehören.
Im Fussballbusiness geht es um sehr viel Geld. Wird da der Mensch hinter der «Ware» Spieler nicht leicht zur Nebensache?
Die Zahlen, die man lesen kann, sind oft völlig überdreht. Wir sind prozentual am Einkommen der Spieler beteiligt. Dafür wenden wir auch viel Zeit und Geld auf, um die Spieler jahrelang gut zu betreuen. Es ist für uns ohnehin lukrativer, wenn ein Spieler sich gut entwickelt und über Jahre spielen kann, als wenn wir ihn früh verheizen. Ich habe auch schon Spielern gesagt, dass ihr Können einfach nicht für mehr als die Superleague reicht.
Wendet sich ein Spieler dann nicht einfach an einen nicht lizenzierten Berater?
Den Trittbrettfahrern ist jedes Mittel recht, um sich bei den Spielern wichtig zu machen. Aber zum Glück schauen die Klubs heute mehr noch als früher, ob der Berater eines Spielers über eine Lizenz verfügt. Und unsere Vereinigung versucht auch, die Klubfunktionäre, Spieler und die Fans darauf zu sensibilisieren, dass das Geschäft der Spielervermittlung mit einem professionellen Berater seriös, diskret und ohne Skandale ablaufen kann – so wie es in der Wirtschaft mit den Headhuntern und in der Kultur mit den Agenten der Künstler passiert.
Wolfgang Vöge ist Präsident der Schweizer Fussball Agent Association. Er betreut unter anderem Xherdan Shaqiri, Pirmin Schwegler, Tranquillo Barnetta, Yann Sommer und Roman Bürki.
Tagesanzeiger vom 24.3.2015
Angst vor der Agentenflut
Ab dem 1. April kann jedermann Spielervermittler im Fussball werden. Die Arrivierten unter ihnen sind besorgt, der Schweizer Verband beschwichtigt.
Wenn YB-Sportchef Fredy Bickel über Spielervermittler zu sprechen beginnt, dann seufzt er erst, macht eine Einschränkung («Es gibt natürlich auch die Guten, die Vernünftigen») und kommt dann auf die Schlechten zu sprechen. Jene, von denen man nicht weiss, ob sie lizenziert sind; jene, die neben der Lohnprovision vom Spieler ebenfalls einen Zuschlag vom Verein verlangen. «Zweitverträge sind ein Unding», sagt Bickel.
Wenn es nach der Fifa geht, soll fertig sein mit solchen Missständen. Sie, bisher vermeintliche Wächterin über alle Berater, überträgt ab dem 1. April diese Kompetenz den nationalen Verbänden und dereguliert gleichzeitig den Markt: Ab besagtem Stichtag kann jedermann Berater werden – die bisherige Fähigkeitsprüfung fällt weg, es braucht lediglich einen tadellosen Leumund und eine Registrierung beim nationalen Verband. Die Kontrolle werde damit verbessert, das System vereinfacht, lauten die Argumente der Fifa. Falsch, sagen Vermittler aus der ganzen Welt. «Das ist verantwortungslos von der Fifa und eine Kapitulation vor den Problemen des Systems», sagt Christoph Graf, Berater des früheren Basler Spielers Aleksandar Dragovic und des künftigen Veljko Simic. «Ohne Prüfung nimmt die Qualität der Beratung ab – leiden werden Spieler und Vereine.»
Bis anhin musste jeder Anwärter eine Prüfung ablegen (20 Fragen: 15 Fallstudien zur Fifa, 5 zum nationalen Verband). Die Misserfolgsquote war hoch, rund 90 Prozent soll sie betragen haben. Mit dem Examen wollte die Fifa einen gewissen Qualitätsstandard sicherstellen. Nur: Viele konnten diese Prüfung umgehen. Wer lediglich Familienmitglieder betreute, brauchte den Test nicht zu machen. Wer sich in seiner Tätigkeit einen Anwalt zur Seite nahm, ebenso. Und weil die Prüfungen weltweit am selben Tag stattfanden, gab es dank der Zeitverschiebung einen Markt für Prüfungsfragen – für wenige Tausend Franken wurden diese per SMS zugesandt.
80 Prozent laufen nicht korrekt
Dessen ist sich Christoph Graf bewusst, wendet aber ein, dass nun eine Hürde weniger ins Geschäft bestehe – noch mehr Leute würden Berater, noch mehr «wilde Agenten» werde es geben. Ähnlich denkt Branchenkollege Milos Malenovic: «Nicht jeder kann Banker oder Jurist werden, genauso soll es sich im Beratergeschäft verhalten.» Der Berater von Vero Salatic und Steven Zuber glaubt, dass die Konkurrenz unter den Spielervermittlern zunehmen werde.
Unter den Exponenten im Schweizer Fussball variieren die Meinungen: Basels Sportchef Georg Heitz geht von einer Zunahme von Beratern in der kurzen Frist aus, nicht aber Fredy Bickel: «Es wird sich kaum etwas ändern.» Eine Auffassung, die auch Robert Breiter, Jurist des Schweizerischen Fussballverbands (SFV), teilt: Einerseits, weil das Arbeitsvermittlungsgesetz funktioniere und jeder Berater eine Bewilligung vom Seco brauche (Wohnsitz Schweiz gilt als Pflicht). Andererseits, weil sich bereits heute viele unlizenzierte Berater im Markt tummeln. Schätzungen zufolge werden weltweit 80 Prozent aller Verträge von unlizenzierten Vermittlern abgeschlossen und auch in der Schweiz agieren neben den 55 Fifa-zertifizierten Beratern gemäss Bickel noch einmal so viele ohne Lizenz.
Es gibt zu viele Vermittler
Einig sind sich die Befragten, dass es weltweit und selbst in der Schweiz zu viele Agenten gibt. Etwas, das Bickel und Heitz zu spüren bekommen: Tagtäglich treffen per E-Mail Angebote von unbekannten Spielervermittlern aus aller Welt ein – pro Jahr sind es bei beiden über 3000. «90 Prozent aller Berater können nicht von ihren Einkünften leben», sagt Graf. Bickel fügt an, dass gewisse Agenten aus Existenzgründen unseriös arbeiten müssten und damit ihren Kunden, den Spieler benachteiligten. Und damit den Berufsstand in Verruf bringen.
Dies will Graf verhindern und verweist auf die SFAA, einen Verband von 14 Schweizer Beratern, bei dem er als Vizepräsident amtiert. Die SFAA will sich von den übrigen Agenten abheben und dafür sorgen, dass die Standards im Geschäft hoch bleiben. Gerade jetzt, gerade bei einer Deregulierung das Marktes. «Wir wollen eine Orientierungshilfe für Eltern und Spieler werden», sagt Graf. Damit das funktioniere, führe die Vereinigung harte Aufnahmekontrollen durch. Mittelfristiges Ziel der SFAA ist eine Qualitätsempfehlung vom SFV. Replik des SFV: «Stand heute wird es ein von uns ausgestelltes Label nicht geben.» Grund: «Wenn das bisherige System mit den Lizenzen gemäss Fifa-Reglement nicht in der Lage war, die Probleme zu lösen, dann wird auch eine Selbstregulierung nicht helfen.»
Provisionen bleiben unverändert
Die Fifa hat neben der Liberalisierung einen Mindeststandard beschlossen, der einen Minderjährigenschutz vorsieht. Zudem strebt der Weltverband eine höhere Transparenz an. Jegliche Provisionen aus einem Transfer muss der Vermittler neuerdings dem nationalen Verband melden. Auf die vorgesehene Beschränkung der Provisionen auf 3 Prozent der Transfersummen und Löhne verzichtete der Weltverband nach heftigem Protest aus der Beraterszene. Branchenüblich sind aktuell Abgaben zwischen acht und zwölf Prozent.
Durch die Fifa-Regelung müssen die nationalen Verbände also ein neues Reglement ausarbeiten. Wer nun denkt, die Verbände verschärfen ob ihrer neuen Kompetenz gar die bisherigen Regeln, der irrt. «Wir orientieren uns am Fifa-Mindeststandard», sagt SFV-Jurist Breiter. Verbände wie der deutsche DFB oder die englische FA handhaben das ähnlich. Niemand will zu stark regulieren, die Angst von einem Wettbewerbsnachteil der heimischen Liga ist zu gross.
Es gibt Gerüchte, dass das neue Reglement selbst in der Fifa umstritten ist. Christoph Graf glaubt, dass es nicht allzu lange Bestand hat. Oder wie es Fredy Bickel sagt: «Ich habe meinen Mitarbeitern gesagt, ‹erst einmal abwarten. Da ist noch längst nicht alles in Stein gemeisselt.›»